24. Februar 2016 /
Im Folgenden wollen wir uns auf die Besetzung an der Waldheimstrasse 49 beziehen. Hausbesetzungen in Bern sind selten und meist von kurzer Dauer. Dementsprechend hat es uns gefreut, dass ein kleiner Sieg errungen und wieder einmal ein Hausprojekt erkämpft werden konnte. Was uns jedoch zutiefst irritiert hat, waren einige Reaktionen aus der Bewegung. Wir sind uns bewusst, dass das Kollektiv für sich selber sprechen kann. Trotzdem ist es uns wichtig, unsere Solidarität mit dem Projekt auszudrücken und als Gruppe Stellung zu den Reaktionen zu beziehen.
Unsolidarisches und patriarchales Verhalten
Das FTLI* (Frauen, Lesben, Trans, Inter) Kollektiv Ronja hat sich autonom ein Haus erkämpft und „ein Gegenentwurf zu patriarchal geprägten Männerräumen, Schutz- und Freiräume für FLTI*- Menschen geschaffen.“
Als Reaktion auf die Hausbesetzung wurde meist von Männern der Unmut geäussert, dass diese von dem Projekt ausgeschlossen werden. Zudem wird das Squat unkritisch als „Frauenhaus an der Waldheimstrasse“ bezeichnet. Diese Reaktionen sind für uns in erster Linie unsolidarisch und zeigen ein verwurzeltes patriarchales Verhalten.
Es steht allen frei Häuser zu besetzen. Neidisch zu sein oder gar Ansprüche auf Squats zu stellen, erinnern mehr an kapitalistisches Konkurrenzdenken und weniger an eine solidarisch-revolutionäre Bewegung. Gerade am Anfang einer Besetzung nehmen Verhandlungen und drohende Repression viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. Wir denken, dass es in dieser Phase einfach nur kräfteraubend sein muss, wegen einigen Beleidigten aus der Szene Stellung beziehen zu müssen. Die Bezeichnung „Frauenhaus“ für das Squat entwertet die zahlreichen, existierenden Frauenhäuser. Des Weiteren werden rhetorisch heteronormative Geschlechterrollen aufrechterhalten, in dem das FTLI*-Spektrum lediglich auf das Geschlecht „Frau“ reduziert wird.
Sexismus ist (leider) Alltag
Schutzräume sind in einer heteronormativen Gesellschaft immer noch wichtig und richtig. Zudem müssen sich bereits bestehende Schutzräume tagtäglich von Neuem behaupten. Ein gutes Beispiel bietet hierbei das Kulturzentrum „Reitschule“. Obwohl es dort einen Frauenraum gibt, der Raum für FTLI*-Menschen schafft, muss tagtäglich und vor allem abends gegen Sexismus gekämpft werden. So haben auf dem Vorplatz der Reitschule sexistische Äusserungen oder Übergriffe in der letzten Zeit zugenommen. Besucher*innen der alljährlichen Dragnight werden auf dem Hin- und Rückweg regelmässig angepöbelt. Diese und andere sexistischen Ereignisse werden von den zahlreichen politischen Gruppen nur dürftig bis gar nicht aufgegriffen und thematisiert.
Die Besetzung sehen wir als selbstbestimmten Schritt, um jenen Raum zu schaffen, der ansonsten fehlt.
Wir wünschen dem Kollektiv Ronja, allen Interessierten und Engagierten des Hauses viel Kraft und Erfolg.
Allen anderen (uns eingeschlossen) check and question your privileges
Anarchistische Gruppe Bern