14. März 2020 / Gestern fuhren wir zum 70. Akt der Gilets Jaunes in Paris. Im Vorfeld hatten verschiedene Bewegungen zu grossen Demos hin mobilisiert. Aufgrund der staatlichen Verschärfungen wurde viele Demos wieder abgesagt und die Beteiligung am Tag selbst fiel deutlich kleiner aus als erwartet. Dennoch konnten wir vom kämpferischen Tag vieles Lernen.
Der Akt 70 der Gilets Jaunes sollte einen Tag vor den Kommunalwahlen den verhassten Präsidenten Macron endgültig von seinem Thron stürzen. Aufgrund des Corona-Virus wurden jedoch die beiden grossen bewilligten Demos gegen Polizeigewalt und für das Klima abgesagt. Am Samstagmorgen war der Treffpunkt der Gilets Jaunes bei den Champs-Élysées leer. Die wenigen Dutzend wurden kontrolliert und erhielten Platzverweise. Um 11 Uhr versammelten sich rund 1`000 Menschen bei einer kleineren, bewilligten Demonstration der Gilets Jaunes. Die Menge wuchs schnell auf rund 3`000 Personen an, was die Polizei sichtlich überraschte und überforderte. Auch vor dem örtlichen Polizeiposten demonstrierten rund 30 Personen für die Freilassung der Inhaftierten vom Frauenkampftag am 8. März.
Nach dem die Demo losgelaufen war, kam es bereits zum ersten Angriff durch verschiedene Einheiten der Polizei. Dies sollte die nächsten 7.5 (!) Stunden weitergehen. Immer wieder gingen Prügelcops der verschiedenen Sondereinheiten in die Demo und verschossen dabei massiv Tränengas. Dabei kam es zu Dutzenden gewaltsamen Festnahmen, was für die Verhältnisse in Paris sehr viel ist. Bei den Angriffen der Cops gab es auch immer wieder Verletzen. Besonders die Fronttransparente waren die Ziele der Cops. Trotz all der staatlichen Gewalt formierten sich die Gilets Jaunes immer wieder neu und liefen entschlossen die Route weiter. Verletze wurden gepflegt, Verhaftete wieder befreit, die Front mit neuen Transparenten bestückt und Menschen solidarisch geschützt. Antagonistische Gruppen, Menschen aus den Banlieues, Feminist*innen, Renter*innen und viele weitere Gruppen standen solidarisch zusammen.
Trotz des Mobilisierungsmisserfolges waren wir sehr inspiriert von der kämpferischen Stimmung. Die Teilnehmer*innen des Akt 70 wollten zeigen, dass es nebst der Organisierung von Unten auch wichtig ist, sich dem staatlichen Kontrollwahn entgegenzustellen. Denn während der Staat den Cornoavirus auch dazu nutzt, um Versammlungen aller Art zu verbieten, soll die Wirtschaft trotz gesundheitlicher Risiken weiterfunktionieren. Wenn wir also beginnen unsere Nachbar*innenschaften zu organisieren und Hilfsgruppen aufzubauen, so müssen wir uns auch klar sein, dass wir bald diese Räume entsprechend verteidigen müssen. Wenn heute Verkäufer*innen, Pfleger*innen, Kita-Betreuer*innen als Stütze im Kampf gegen Corona gefeiert werden, so lasst darauf hinweisen, dass diese Menschen dies unter Einsatz ihrer Gesundheit und unter ausbeuterischen Bedingungen machen müssen. Denn nicht alle haben das Privileg einfach zu Hause zu bleiben.