Kurzbericht Demo gegen rassistischen, antimuslimischen & sexistischen Normalzustand

07.März 2021/ Heute zogen rund 350 Personen durch die Berner Innenstadt zu einer wütenden Demonstration gegen die Annahme des Verhüllungsverbotes. Das rechte Initiativkomitee wird von rechtspopulistischen Hardlinern zusammengesetzt. Ihnen geht es bei der Initiative darum ihre rassistische, antifeministische und diskriminierende Politik weiter voranzutreiben. Dazu bedienen sie sich den staatlichen Instrumenten und Institutionen.

Als Anarchist*innen wollen wir nicht dem Staat die Entscheidung über die Kleiderordnungen überlassen. Insbesondere dann nicht, wenn es einen rassistischen, antimuslimischen und sexistischen Hintergrund hat. Die Abstimmung dieser Initiative fällt in eine historische Phase der wirtschaftlichen Krise, in der reaktionäre Kräfte zum Angriff auf die Unterdrückten mobilisieren. Diese schweizer Leitkultur isoliert und bekämpft alles, was nicht in die Norm passt.
Die rechte Hetze trifft verschiedene soziale Gruppen auf unterschiedliche Weise. Auch an der heutigen Demonstration konnten oder wollten viele, die besonders stark von den Auswirkungen betroffen sind, nicht teilnehmen. Ein konsequenter Antifaschismus und Antisexismus bedeutet auch, sich den eigenen Privilegien bewusst zu sein. Viele können nach der heutigen Demonstration ungestört in den diskriminierungsfreien Alltag zurückkehren. Für viele Andere heisst es zurück in den rassistischen, antimuslimischen und sexistischen Normalzustand.

Texte/Reden:

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Liebe Anwesende
Es ist ermutigend, dass heute Menschen demonstrieren, um sich gegen Diskriminierungen stark zu machen. Das Ergebnis der Verhüllungsinitative ist eine weitere Ausgrenzung von muslimischen Menschen, insbesondere uns Frauen. Dabei geht es nicht um die Frage, dürfen wir eine Burka tragen oder nicht. Die Botschaft ist, muslimische Menschen sollen unsichtbar sein oder in ihren Augen am besten gar nicht existieren! Ich existiere aber!
Tagtäglich erlebe ich böse Blicke, versteckte aber auch ganze offene Diskriminierungen und das alles, weil mich die schweizer Gesellschaft als muslimische und migrantische Frau ansieht. Ich erlebe tagtäglich, was solch eine Abstimmung am Ende für die Menschen im Alltag bedeuten. Deswegen ist es mir heute wichtig zu sagen, dass wir zusammen gegen die Diskriminierungen kämpfen müssen. Mit dieser Demonstration und noch wichtiger im Alltag. Denkt an all die Menschen in eurem Umfeld, die heute nicht hier sein können und versucht sie zu unterstützen.
An alle Menschen, die von dem heutigen Resultat betroffen sind, denkt daran, dass es gerade jetzt noch wichtiger ist, sich nicht zu verstecken. Lasst uns kämpfen! Heute und an jedem weiteren Tag.

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Ich fühle mich bedrückt. Und dennoch war es vorherzusehen. Schliesslich bin ich mit der Eidgenössischen Volksinitiative «gegen den Bau von Minaretten» gross geworden. Verglichen mit den Worten von Georg Orwell sind einige Menschen wohl gleicher als andere, was auch immer das bedeuten soll im Anbetracht der direkten Demokratie, welche in der Schweiz herrscht. Vielleicht bedeutet es, dass Betroffene teilweise gar nicht erst abstimmen dürfen. Oder ihre Belange nicht in einer Initiative vorkommen können. Wie den auch, ohne Lobby?


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Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen, stand jedoch immer zwischen zwei Kulturen. Die schweizer Kultur meiner Mutter und die islamische Kultur meines Vaters. Zu meinem Vater hatte ich nie eine sehr enge Beziehung und auch wenn mir seine Kultur weniger vertraut ist, empfinde ich diese als ein Teil von mir. Was würde ein Ja zu dieser Initiative für mich bedeuten? Ich würde dies als ein Angriff auf die Religionsfreiheit meiner Familie empfinden. Den Frauen in meiner Familie würde das Recht auf die Selbstbestimmung genommen werden und ihnen würde vorgeschrieben werden, wie sie sich zu kleiden haben. Ich finde, es sollte allen Menschen möglich sein, ihre Kultur und Religion so auszuleben, wie sie es sich wünschen, Diese Initiative stimmt mich traurig, denn dies ist nicht die Schweiz, in der ich leben will.

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Liebe Schweiz,
Nun kommt es wieder zu einer Initiative die die Religionsfreiheit einschränkt. Dafür das sich die Schweiz als fortschrittlich und Weltoffen präsentiert ist das ein gewaltiger Schritt in die falsche Richtung. Das zu meiner kurz gefassten Meinung.
Ich bin angehende Religionswissenschaftlerin (dies ist zu unterscheiden von der Theologie). Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Meine Muttersprache ist Deutsch. Was mich von von einer „Schweizerin“ als Vorstellung unterscheidet ist mein Aussehen. Ich habe Wurzeln von Südkorea, dementsprechend sieht man mir dies auch im Gesicht direkt an. Als Kind habe ich dies schon schnell bemerkt, dass dies nicht dem Bild einer „Schweizerin“ entspricht. Andere Kinder haben sich die Augen langgezogen und China zu mir gesagt. Die Frage „vo wo chunnsch du?“ hat mich (und tut es noch heute) jedesmal iritiert. Ich bin von der Schweiz oder willst du wissen wo ich Wohne? Wenn ich so geantwortet habe kam danach die frage „nei nid ds ig meine dänk vo wo chunnsch du ursprüngläch?“. Auch dies kann ich mit Schweiz beantworten, wie schon erwähnt bin ich hier geboren und aufgewachsen. Die Sozialisation in die Gesellschaft habe ich hier gelernt und vollzogen. In meinem Alltag erlebe ich immer wieder Sprüche gegen mein Aussehen und muss mir „asiatische“ Witze anhören und es wird erwartet, dass ich diese Witze erstens noch nie gehört habe und zweitens ich dazu lache. Die Menschen die Witze über mein Aussehen machen sind meist Kaukasier. Menschen, da bin ich mir sicher, noch nie eine rassistische und diskriminierende Erfahrung in ihrem Leben machen mussten. Meine Erfahrungen mit Diskriminierung ist auch als Stereotyp Rassismus definierbar. Da ich „asiatische“ Züge habe gehöre ich in eine Kategorie die ein gewisses Verhalten haben und „weniger Wert“ ist als andere Menschen die hier geboren wurden. Ich kann alle asiatische Gerichte kochen, Südkorea ist unterentwickelt und daher bin ich hier in der Schweiz weil sie Weltoffener ist, ich habe keine Manieren, kann kein Deutsch et cetera. Asien ist ein rieseiger Kontinent in dem es viele Länder und Kulturen gibt. Was das nun mit der Initiative zu tun hat? Die Verschleierung von Menschen als religiösen Grund ist eine Wahl von diesen spezifischen Menschen die nicht eingeschränkt werden soll. Es ist wie bei mir ein äusseres Merkmal, die aber gewählt wurde. Es ist eine Wahl von diesen wenigen Menschen in der Schweiz die sich auch mit dieser Entscheidung der Diskriminierung stellen. Es wäre mir natürlich lieber, wenn sie auch keine Diskriminierung aufgrund der gewählten äusserlichen Merkmale erfahren müssten aber dies ist etwas das tief in der Gesellschaft liegt und nicht so schnell änderbar ist. Diese wenigen Menschen in der Schweiz die eine Burka tragen sollen dies weiter für sich entscheiden dürfen. Die Freiheit für das äussere Erscheinungsbild sollte nicht vom Staat geregelt werden und von Individuum entschieden werden. Es kann als Diskriminierung der Schweiz gegen eine bestimmte Gruppe gesehen werden. Ich dachte die Schweiz wäre stolz auf die multikulturelle Landschaft.